Sontags den. 15 Wintermon.
Mein lieber Freünd.
Ich bin seit gestern Abend in einer neüen Wohnung, die ich bezogen, weil ich auf dem Gymnasio nicht Plaz genug für eine Familie hätte. Heüte frühe bewillkomten Sie mich gleichsam, da ich beym Aufstehen ihren Brief vom 2 dieß bekam. Ich freüe mich, daß Sie iezo so genau sind mir dieses Vergnügen zuverschaffen. Ich antworte Ihnen iezo gleich, weil ich am besten Zeit habe, ob ich gleich diesen Brief nicht wegschiken mag, bis ich von meiner Braut einen mit einschließen kann, den ich, laut ihres Versprechens den nächsten Posttag erwarte.
Unser Hochzeits Tag ist nun auf den 18 December, den achten Tag vor Weynacht festgesezt. Sollte etwas dazwischen kommen, das ihn ändert, so will ich es Ihnen schreiben. Das Andenken, daß Sie alsdenn auch sich unsertwegen versamlen werden, wird mir die Freüde dieses Tages sehr vergrößern. Ach daß Sie doch bey uns seyn könnten! Ich bin versichert, daß die Bekanntschafft meiner Braut ihnen auch Lust zum Heyrathen machen würde. Aber es steht mir nicht an, etwas zu loben, das in so eigentlichem Sinne mein ist.
Morgen geht also ihre Schularbeit an. Sie sind also in dieser Stunde, da ich Ihnen schreibe vermuthlich nicht so vergnügt, als ich. Wollten Sie wol ihre Schule gegen eine der angesehensten Prediger Canzeln in Berlin vertauschen. Wenn ich die Wahl hätte so würden Sie hieher beruffen werden, um dem verstorbenen Dr. Elsner an der Parochial Kirche zu succediren. Es ist ein sehr ansehnlicher Posten und eben so einträglich. Da ich erfahren, daß der König der Gemeinde, welche das Wahlrecht hat, sagen laßen, Sie möchten einen recht guten Prediger aussuchen, wenn sie ihn gleich von Weitem herholen müßten, so habe ich Sie, mein lieber Freünd, als den besten, den man finden könnte vorgeschlagen. Ich erfahre nun, daß Hr. Wegelin, welcher von dieser Gemeinde ist, Commission bekommen hat, sich nach Ihnen zu erkundigen. Welches Glük für mich, wenn die Vorsehung Sie zu mir führen sollte! Ich will mich diesen angenehmen Vorstellungen noch nicht überlaßen. Die Sache ist noch viel zu unreiff, als daß man bestimmte Muthmaßungen machen könnte, zumal da eine ganze Gemeinde schwerlich das beste wählen wird. Indeßen ist gewiß, daß die klügsten stark auf Sie reflectiren. Wenn mir die Vorsehung nicht schon gar zu viel gutes gethan hätte, so würde ich hoffen, daß Sie mir dieses große Glük machen würde, und es würde unfehlbar auch das ihrige seyn.
Ihre Portraits habe ich noch nicht erhalten, aber ich habe schon einen Plaz dazu ausersehen, den sie zieren sollen. Ich habe eine schöne und sehr angenehme StudierStube, und sie wird durch diesen Zusaz mir um ein beträchtlicheres angenehmer werden. Ich habe schon in Zürich gemerkt, daß unser Waser sich zu dem kleinen Häuflein derer neigte, die Klopstoken nicht unrecht geben wollten, weil sie sonst Bodmern rechtgeben müßten. Wenn ich von dem urtheilen soll, was ich noch selbst gesehen, so muß ich nothwendig Klopstokens Betragen höchstens Mißbilligen, da er sich nicht gescheühet hat, selbst in meiner Gegenwart über Bodmern zu spotten. Überhaupt kann ich aus seiner Aufführung nichts herausfinden, daß der Meßiade nur einigermaßen würdig wäre. Ich bin sehr verlegen, daß Hr. Bodmer mir gar nicht schreibt. Ich möchte gerne wißen ob Rahn Klopstoken, oder dieser jenen zum Fantasten gemacht hat. Beyde scheinen mir gleich dazu aufgelegt zu seyn.
den 22 Nov.
Seit vor acht Tagen habe ich nie Muße genug gehabt diesen Brief zu enden. Ich habe indeßen von der Jungfer Profeßorin inliegendes für Sie erhalten. Sie werden mirs doch wol vergeben, daß ich die curjosität gehabt zu sehen, was sie geschrieben. Sie müßen sich bey den Grammatik Fehlern nicht aufhalten, wenn Sie iezt gleich Provisor sind. Man spricht hier zu Lande gar nicht nach der Grammatik. Am allerwenigsten thut das Frauenzimmer solches, neben dem ist die Jfr. Braut nicht gewohnt deütsche Briefe zu schreiben. Es wird mir sehr angenehm seyn, wenn Sie ihr anlas geben werden sich darin zu üben. Heüte sind wir von Hrn. Hofpr. Sak aufgeboten worden. Wenn ich in der Schweiz wäre, so würde ich iezo nicht schon um 9 Uhr des Abends gespeißt haben und allein auf meiner Stube seyn. Es ist eine Betrübte Sache ein Bräutigam ohne Braut zu seyn. Es wird wol dabey bleiben, daß der Hochzeits Tag den 18 December seyn wird.
Heüte habe ich eine recht sehr große und eben so unvermuthete aber auch eben so kurze Freüde gehabt. Mein Bedienter kömmt in meine Stube und sagt, es melde sich ein Hr. aus der Schweiz, mich zu sprechen, sein Nam sey Füeßli, ich verstuhnd Küenzli, weil mir aber das Glük sie zusehen zu groß vorkam, so frug ich noch einmal nach dem Namen, und ärgerte mich, da ich einen andern, als den ihrigen hörte. Machen Sie mir doch diese Freüde einmal. Die Verliebten glauben sonst, daß sie vollkommen glüklich seyn würden, wenn sie zum Besiz der Geliebten Person gelangen könnten. Ich begreiffe aber sehr wol, daß ich noch einmal glüklicher seyn würde, wenn Sie noch hier wären, als ich so seyn werde, und halte also mein Glük nicht für vollkommen, ob ich gleich vollkommen damit zufrieden bin. In der That hat die Vorsehung über meine Wünsche für mich gesorget. Was für ein großer Taugenichts müßte ich seyn, wenn mich dieses nicht antriebe mein möglichstes zuthun, dieses Glük nicht umsonst zu genießen!
Grüßen Sie unsre beyden Freünde herzlich. Wie ofte werde ich den 18 Decemb. an Sie denken! Ich umarme Sie und verbleibe unveränderlich
Ihr getreüster Sulzer.
H: SWB, Ms BRH 512/72.