Brief vom 8. Januar 1752, von Sulzer, J. G. an Künzli, M.

Ort: Berlin
Datum: 8. Januar 1752

Mein Lieber Freünd.

Ich habe schon seit drey Wochen Briefe von Ihnen erwartet wozu mir Hr. Waser Hoffnung gemacht hat, und diese Erwartung hinterte mich etliche mal, da mich die Lust dazu ankam, Ihnen zuschreiben. Ich muß Ihnen nur auf den Brief, den ich künftig, vielleicht morgen von Ihnen erhalten werde antworten. Sie haben doch einige Meyerische Landschafften für mich erhandelt oder gewonnen. Versäumen Sie doch die erste Gelegenheit nicht sie mir zuüberschiken. In dem neüen Haus so ich baue, soll ein Zimmer mit Lauter schweizerischen Ornamenten geziehret seyn. Wäre dies für meine Freünde nicht eine gute Gelegenheit sich hervorzuthun. Es ist ja bey Ihnen die Gewohnheit den Kindern etwas ins neüe Kleid zu schenken, und also per analogiam den alten ins neüe Haus. Es fehlet mir (etwas muß doch immer fehlen) iezo nur noch an einem Freünd aus der Schweiz, so würde ich vielleicht glüklicher seyn als jener Tyran zu Samos. Ich bin in der That nicht zufrieden, wenn Sie mich nicht einmal besuchen. Thun Sie es doch, und machen ihre Einrichtungen so, daß Sie allenfalls, wenn es Ihnen denn Hier gefallen sollte, bey uns bleiben können. Wollten Sie mein College am Gymnasio werden? Man geht damit um eine Professionem Eloquentia et Poeseos für die deütsche Sprache zu machen, und in diesem Fall werden wir wol einen Schweizer nehmen müßen. Steht Ihnen dieses nicht an, so sollen Sie Hofprediger werden so bald einer stirbt. Denken Sie doch mit Ernst an diese Reise. Ihre Gegenwart ist der allergrößte Wunsch der mir noch einfallen könnte.

Gleim befindet sich hier, er kam, wie ich glaube in dem Vorsaz sich hier zu verheyrathen, und ist iezo sehr unwillig, daß er dies Vorhaben nicht ausführen kann. Er fodert eine Frau von mir, und ich kenne fast keine, als die meinige, die ich ihm nicht geben kann.

Ich habe den Kopf so voll BauGedanken, daß es mir recht schweer fällt ein Blatt zu überschreiben wenn nichts von Mauersteinen, Fenstern und Oefen darin steht. Sie müßen mir diese Unfruchtbarkeit meines Kopfs nicht verdenken. Es ist gar zu viel daran gelegen, daß ich iezo an nichts, als dieses gedenke. Sie werden ein Werk der Barmherzigkeit thun, wenn Sie mir während meines Baues ofte schreiben um mir doch bisweilen was vernünftiges in die Gedanken zu geben.

Meine Frau empfiehlet sich Ihnen bestens. Ich hoffe, daß Sie bald einen zur Welt bringen wird der nach mir mein Haus bewohnt. Ich verbleibe

Ihr
ergebenster Dr
Sulzer

Berl. den 8 Jan. 52.

Überlieferung

H: SWB, Ms BRH 512/72.

Anschrift

An Hrn. Provisor oder bald mehr als Prov. Künzli.

Vermerke und Zusätze

Vermerk Künzlis auf der Anschriftseite: »empfangen den 26tn Jenner«.

Eigenhändige Korrekturen

er kam,
under⌉ kam,

Stellenkommentar

dem neüen Haus so ich baue
Zu Sulzers Bautätigkeiten und seinem Landhaus mit Garten an der Spree vgl. Kittelmann Apoll und Minerva 2018.
jener Tyran zu Samos
Polykrates von Samos (6. Jh. v. Chr.).
eine Professionem Eloquentia et Poeseos
Die Professur für Eloquenz ist erst nach der von Sulzer vorbereiteten neuen Verordnung des Joachimsthalschen Gymnasiums 1768 belegt. Eine Professur für deutsche Sprache scheint es zu Sulzers Zeiten nicht gegeben zu haben.
einen zur Welt bringen wird
Sulzers erstes Kind war eine Tochter, Henriette Wilhelmina, und wurde am 27. Januar 1752 geboren. Sie starb jedoch im Alter von zwei Jahren 1754.

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Kommentar: Baptiste Baumann
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