Brief vom 26. Dezember 1766, von Veltheim, F. A. v. an Sulzer, J. G.

Ort: Harbke
Datum: 26. Dezember 1766

An Herrn Profeßor Sulzer in Berlin
Harbke d. 26ten Dec. 1766.

P.P. Reisen, Unpäßlichkeit, und andere Umstände hatten mich abgehalten, an Ew. Hochedelgebohr. selbsten zu schreiben. Und ich bin um so mehr darüber erfreuet worden, daß dieselben auf die Ermunterung meines jezigen botanischen Adjutanten, des Hrn du Roy sich eingelassen, und so viel gutes und angenehmes zurück geschrieben haben.

Die Nachricht, daß Sie eine so schwere Krankheit ausgestanden gehört eigentlich nicht dazu, und darf nicht wiederholet werden. Der jezige Gärtner muß sich auch besser halten als der vorige. Zum übrigen aber wollen wir zu beiderseitiger Zufriedenheit, schon mehr zusammen kommen. Mit dem, was Sie mir zugedacht haben, hat es vollkommen bis zum Frühjahre Zeit. Ich ziehe überhaupt die Frühjahres Pflanzungen vor. Bey solchen aber die aus der Levante eingegangen sind, muß ich bevorworten, daß Sie Holzartig seyn, und den Anschein haben müßen, in eisiger Luft auszudauern, weil meine hiesigen Anstalten, so wenig auf Winter= und Treibe-Häuser, als noch weniger auf Kraut Pflanzen gerichtet sind. Der Abgang richtiger Benennungen hätte sonst nichts zu bedeuten, da wir in unserer Gegend mit holzartigen Pflanzen gerade systematisch zu werden anfangen. Die Ihnen überschikten Myrica-Pflanzen waren noch zu jung. Ich leiste aber evietion, so wie bey allen überhaupt also auch bey dieser Gattung. Mein Ueberrest hat sich besonders im abgewiechenen Sommer ziemlich hervorgethan. Sie werden also an der Zeit nichts verliehren. Daß diese Pflanze unsere Winter aushalte, beweiset eine ganze Reihe derselben in dem Münchhausischen Garthen zu Schwöbber, die schon 10 Jahr gestanden hat, und jährlich viel Früchte bringet. Nur das Wachs will nicht folgen. Vielleicht sind die Pflanzen noch zu jung. Der Pariser arbre de la Cire mag ein ganz anderer Baum, vermuthlich Chinesisch oder aus deren benachbahrten Inseln, mithin für uns zu zart sey. Es ist mir daß ich in des Osbeks Reisen davon etwas gelesen habe. Vielleicht ist es deßen Croton sebiferumo pag. 320.

Ich vernehme mit Vergnügen, daß Hr. Profeßor Gleditsch seiner versprochenen Dendrologie annoch eingedenk sey, wünsche aber, daß Er mit deren Ausarbeitung nicht säumen möge, damit er nicht darüber hinsterbe. Vielleicht gibt es ihm eine Ermunterung, wenn Sie ihm einliegende Note überreichen.

Von der neuen Ritter Academie (heißt sie nicht Ecole militaire?) vernehme ich, daß sie noch zu viel exotische Lehrer und Einrichtungen habe. (Schweizer sind redliche Teutsche). Man muß erwarten, ob die Academie nach und nach mehr teutsch werde, das ist, mehr auf Vernunft als auf Wiz sehen werde. Und dieses hat wenigstens so lange Zeit, bis das neue Hauß völlig ausgebaut seyn wird. Ist es denn recht wahr, wie die Zeitungen erzehlen, daß Hr. Eüler die Petersburg. Academie der Wißenschaften in beßere Ordnung bringe? Ich dächte, er bliebe bey der höhern Mathematic und in dem Bezierk der unsichtbahren Himmel. Die Erde mögte er nur immer denen kleinern Geistern zu regieren überlaßen: Und diese werden sich dabey auch beßer stehen. Man hört ja nicht ein Wort aus Berlin von der Lachs= und Forellen-Macherey. Mir fehlt es an solchen in meinen Quellen, die im Dec: und Januario offen bleiben. Der Lieutenant Jacobi arbeitet und vermehret noch immer frisch fort. Sind Ew. HochEdelgebohr. mit dem würdigen Gesandten Mitchel noch auf vorigen Fuß: So bitte ich inständigst ihm geleg. meiner Hochachtung und Ergebenheit zu versichern. Ich bitte auch um ein freundschaftliches Compliment an Herrn Leßing und verbleibe Deroselben

F. A. Veltheim.

Überlieferung

H: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. Harbke H 95, Nr. 1860, Bl. 43–45. E: Kittelmann Botanisches und gartenbauliches Wissen in Sulzers (Brief-)Werk 2018

Stellenkommentar

botanischen Adjutanten
Johann Philipp Du Roi verfasste 1771/72 das dendrologische Standardwerk Wilde Harbke'sche Baumzucht.
in des Osbeks Reisen
Der schwedische Pfarrer und Weltreisende Pehr Osbeck hatte seine Reise nach Ostindien und China in Rostock 1765 publiziert.
Croton sebiferumo pag. 320
Chinesischer Talgbaum, von Karl von Linné 1753 als »Croton sebifer« oder »Croton sebiferum« spezifiziert. Der heute gültige botanische Name lautet Triadica sebifera.
Münchhausischen Garthen zu Schwöbber
Otto II. von Münchhausen, Herr auf Schwöbber, pflanzte nicht nur erfolgreich Myrica an, sondern lieferte mit Der Hausvater einen wichtigen Beitrag zur Agrarliteratur der Zeit.
Gleditsch seiner versprochenen Dendrologie
Gemeint ist hier vermutlich Johann Gottlieb Gleditschs Systematische Einleitung in die neuere, aus ihren eigentümlichen physikalisch-ökonomischen Gründen hergeleitete Forstwissenschaft, deren 2 Bde. allerdings erst 1774–1775 erschienen.
Lieutenant Jacobi
Stefan Ludwig Jacobi (1711–1784), gilt als Begründer der künstlichen Befruchtung in der Fischzucht. Sulzer beschäftigte sich ebenfalls mit der Fisch-, vor allem der Forellenzucht.
der neuen Ritter Academie
Sulzer war von Friedrich II. mit der Gründung und Planung der von ihm gestifteten Ritterakademie betraut worden. Die Akademie für junge Edelleute und Adlige, an der neben Sulzer auch Gelehrte wie Jakob Wegelin und Francois Toussaint unterrichteten, hatte ihren Betrieb in einem Gebäude in der Berliner Burgstrasse 1765 aufgenommen. Vgl. dazu: Nicolai Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam 1786, Bd. 2, S. 721–722

Bearbeitung

Kommentar: Jana Kittelmann