Brief vom 27. März 1767, von Sulzer, J. G. an Veltheim, F. A. v.

Ort: Berlin
Datum: 27. März 1767

Hochwolgebohrner.
Hochzuehrender Herr.

E Hochwolgebohren haben etwas von dem prophetischen Geiste, da Sie merken konnten, daß Krankheit und Fieber Ursache an meinem Stillschweigen seyn könnten. Ich habe dies Frühjahr würklich wieder einige Zeit gelegen. Vorher aber hat eine Aufhäuffung vieler Geschäfte, die alle schleünig mußten abgethan seyn mich abgehalten, an irgend etwas anderes zu denken. Die erstere Ursache hat mich bis dahin abgehalten meine Virginische Jugend zu besuchen und mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Und da mein ieziger Gärtner neü ist, und nichts davon kennt, so ist alles noch unter der Deke und kann nicht eher an das tages Licht kommen, bis ich selbst dabey seyn kann. Bey diesem elenden Wetter aber därff ich mich, bey meinem noch halb kranken Leib noch nicht dahin wagen. Ich hoffe aber, daß es noch früh genug wird geschehen können, um E Hochwolgeb. die verlangten Sachen überschiken zu können. Meine Hoffnung die Virginische Colonie in meinem Garten dieses Jahr stark zu vermehren ist mir durch einen Brief aus London für dieses Jahr benommen. Ich hatte im October um eine Kiste Saamen geschrieben, und erhalte im Febr. die Antwort, daß damals schon alles ausgetheilt gewesen, und nun vor künftigem Herbst nichts zu haben sey. Also ist ein ganzes Jahr verlohren.

Der Hr. Dr. Gleditsch, dem ich Ihre Anmerkungen zugestellt hatte, versprach mir selbst an E Hochwolg. zu schreiben. Aber der arme Man hat ein schlimmeres Fieber, als das meinige, dem aus keiner Apothek kann geholffen werden. Seine häußlichen Umstände sind in solchem Verfall, daß ihm alle Lust zur Arbeit vergeht. Doch versichert er mich, daß seine Dendrologie beynahe zum Druk fertig sey. Die Forellen Fabrike kann in hiesigen Gegenden nicht unternommen werden, wo uns die Bäche ganz fehlen. Um einen Zapfen der Balsam Tanne werde ich mir Mühe geben. Doch zweifle ich gar sehr, daß in Oranienburg solche sind, die Früchte tragen. Für die Catal. von London bin ich E Hochwolgeb. sehr verpflichtet: Ich bin nicht übel willens etwas von daher zu verschreiben; aber es wäre mir doch sehr lieb gewesen einiges fundament zu haben, aus welchen die Preise der Sachen ohngefehr abzunehmen wären. Einen von dem Catal. habe ich nach Gusow verschikt, einen anderen werde ich dem H. Gr. v. Kameke zu schiken und einen habe ich H Gleditschen gegeben. So bald das Wetter und meine Gesundheit es erlauben, werde ich E Hochwolgebohren, Proben von meiner Zucht überschiken. Wollen Sie mir indeßen ein paar Pflanzen von der Myrica zu kommen laßen, so werden Sie mir viel Vergnügen machen. Ich höre, daß auch verschiedenes von meinen aus der Türkey bekommenen Saamen aufgeht; habe aber auch diese dinge noch nicht mit Augen sehen können. Ich empfehle mich zu fortdauernder Gewogenheit und habe die Ehre zu verharren

E Hochwolgebohren gehorsamster Dr. JGSulzer

Berl. d. 27 März 1767

Überlieferung

H: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. Harbke H 95, Nr. 1860, Bl. 108–109. E: Kittelmann Botanisches und gartenbauliches Wissen in Sulzers (Brief-)Werk 2018

Vermerke und Zusätze

Handschriftlicher Vermerk von Philipp du Roi am Ende des Briefes: »Am 8ten April sind an H Prof. Sultzer 2. Stük Myrica-Pflanzen abgeschikt. Und dabey ist angefragt, ob er an der America Saamen Kiste zu 1/8, 1/6 teil oder 1/4 Antheil nehmen wolle. Auch ist wegen Gleditschens Dendrologie und der Gileadischen Balsam-Tanne Erinnerungen geschehen, nicht weniger Nachricht gegeben worden, wie mit dem Gärtner ⟨Ruseks⟩ die Preise am billigsten zu bestimmen seyn.«

Stellenkommentar

einen Brief aus London
Nicht ermittelt, vermutlich von Philipp Miller.
nach Gusow verschikt
In Gusow befand sich eine vom Grafen Podewils angelegte Musterplantage.
H. Gr. v. Kameke
Friedrich Wilhelm von Kameke (1718–1770), lebte in Pommern und war Verfasser agrarwissenschaftlicher Schriften.
der Myrica
Wachsbaum.
aus der Türkey bekommenen Saamen
Im November 1763 hatte sich eine türkische Gesandtschaft um Ahmet Efendi im Auftrag Mustafas III. in Berlin aufgehalten. Auch Sulzer war in den Besuch involviert und hatte die Entourage sogar als einer der Ersten empfangen. Vermutlich gehen die Saatgutsendungen auf die in diesem Rahmen geknüpften Kontakte zurück. Vgl. zu dem Besuch Enderlein Erste türkische Gesandtschaft in Berlin 1763 1987.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann
Kommentar: Jana Kittelmann